LUIS CRUZ

FOTOGRAFIE

SPUR

1979-1995

Die vorliegende Sammlung von Reportagen, die Luis Cruz unter dem Namen „Spur“ präsentiert, ist eine Auswahl von Arbeiten, die in den letzten 32 Jahren realisiert wurden. Das wesentliche Merkmal von „Spur“ ist die thematische Harmonie, deren zentrale Achse die Biografie des Autors ist. „Spur“ ist ein herausragendes und typisches Beispiel der Autorenfotografie. Der Autorenfotograf ist ein Sondertypus des engagierten Fotografen, den Prof. Klaus Honnef wie folgt gekennzeichnet hat: “Am besten lässt er sich als Sammler beschreiben, der nicht auf das eine gelungene Bild fixiert ist, sondern viele Belege zusammenträgt, auf diese Weise sowohl der Fragmentierenden Natur seines Mediums als auch der opaken Natur der Realität Rechnung tragend. Der Fotograf als Autor ist Wirklichkeitsfotograf; ganz bestimmte Aspekte der Realität üben eine solche Faszination auf ihn aus, dass er oft seine ganze Lebenstätigkeit ihnen verschreibt.“  (Wolfgang Kemp, Theorie der Fotografie, Bd. 3, S. 204).

Den Anfang der Sammlung bilden Fotografien aus der Zeit der chilenischen Diktatur, die die Jahre 1979 bis 1986 abdecken. Aus Deutschland ist eine Reportage über Solingen  aus dem Jahre 1993 zu sehen, als dort das Haus einer Familie von rechtsradikalen Tätern in Brand gesteckt wurde und 5 türkische Frauen und Kinder starben. Auch der Protest von Zehntausenden in Köln gegen den Irak-Krieg Anfang des Jahres 2003 wird lebendig. In allen Reportagen spiegelt sich das persönliche Interesse für politisch-soziale Ereignisse wieder. Zugleich enthalten sie typische Merkmale und Perspektiven des Autors. So richtet sich das Objektiv auf Leute, die er die normalen Leute nennt; es fehlen Persönlichkeiten, die auf den Bühnen der Öffentlichkeit dominieren. Seine Option in diesem Sinne ist offenkundig. Ebenso verbindet die Bilder eine gezielte Verwendung ästhetischer Elemente wie etwa die Verwendung des Weitwinkels oder der Schnitt von Körpern. Im Vordergrund der Bilder steht immer und zuerst die Emotionalität, die das dargestellte Geschehen und die Personen vermitteln.

Luis Cruz ist am 10. Juli 1954 in Santiago de Chile geboren. Er entstammt einer Familie mit einer langen Tradition von Fotografen, die bis in das vorletzte Jahrhundert zurückreicht und mit dem Onkel seines Großvaters begann. Sein Vater, Don Guillermo Cruz Araya, hat ihn sehr früh in den Beruf eingeführt. Schon mit neun Jahren hat er kleine Arbeiten im Labor ausgeführt. Auf diese Weise lernte er die Chemikalien kennen, ihre Eigenschaften und Charakteristiken. Aber was ihn am meisten beeinflussen sollte, war seine Beteiligung an den politischen Ereignissen in Chile seit dem Jahr 1969.

Während der Jahre 1969 bis 1973 herrschte in Chile ein Klima des politischen und kulturellen Aufbruchs, das das Land noch nicht erlebt hatte. Die Beschäftigung mit Philosophie und Politik beherrschten den Alltag. Begleitet war diese Stimmung des intellektuellen Aufbruchs von einer zunehmenden Atmosphäre der Gewalt, die ihren Höhepunkt in dem Militärputsch erreichte, den Augusto Pinochet im September 1973 anführte. Luis Cruz bleibt im Land und kämpft von Anfang an gegen die Diktatur. Im Jahr 1975 muss er aus politischen Gründen das Land verlassen und flieht nach Argentinien. Aber nach 6 Monaten schon kehrt er zurück, um seine politische Arbeit fortzusetzen.

Die erste fotografische Ausstellung realisiert er 1979, als er an der Universität von Santiago studierte. Im Jahr 1980 schließt er sich der Gruppe Mistral an. Diese Gruppe von Künstlern bestand aus Gegnern der Diktatur und organisierte kulturell-politische Veranstaltungen in den Kulturinstituten der Botschaften, wie zum Beispiel im Goethe-Institut, dem chilenisch-spanischen oder chilenisch–französischen Institut. Gleichzeitig wurde Luis Cruz Mitglied in der Kulturwerkstatt Sol. Dort unterrichtete er junge Arbeiter und Arbeitslose in Fotografie und wirkte an zahlreichen politisch-kulturellen Projekten mit. Im Jahr 1983 wird er im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten festgenommen, gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Kulturwerkstatt. Seit 1979 fotografiert er ständig die Umgebung, in der lebt und politisch handelt. Fotos von Beerdigungen der Opfer der Repression (darunter Freunde und Bekannte), Volksküchen (ollas comunes) und Demonstrationen werden selbst zum Ausdruck des Protestes und Mittel des Widerstandes. 1986 nimmt der bewaffnete Kampf zu und zugleich die Repression. Infolge der erlittenen Inhaftierung im Jahr 1983 und dem nachfolgenden Tod eines Freundes in einer bewaffneten Auseinandersetzung, der ebenfalls auf der Liste der Gefangenen aus dem Jahr 1983 war, beginnt die Geheimpolizei (CNI), Luis Cruz zu verfolgen. Er muss Chile verlassen. Dieses Mal flieht er nach Deutschland und es sollte nicht nur vorübergehend wie im Jahr 1975 sein. Denn es hatte nach seiner Meinung keinen Sinn mehr, sein Leben in Chile zu riskieren. Der Weg zu einer politischen Lösung war bereits vorgezeichnet. Mit einem Stipendium der Otto-Benecke-Stiftung beginnt er sein Studium im Fachbereich Freie Kunst der Fachhochschule Köln. Im Jahr 1991 wird er dort unter Professor Arno Jansen zum Meisterschüler ernannt. Drei Jahre arbeitet er im Atelier Anna und J. Blume als Leiter des Labors..

Luis Cruz